WEIHNACHTSZEITUNG2.Ausgabe 1988 | |
Der Kommentar: |
Die Weihnachtsgeschichte An einem Weihnachtsabend gehen in Deutschland minutenlang die Lichter aus. Zufällig und ungewollt Millionen Plastiktannenbäume, in Disco-Manier geschmückt, hören auf zu leuchten. Fernseher verbreiten, indem sie einen weißen Punkt auf der Mattscheibe zurücklassen, eine beängstigende Stille. In unzähligen ferngesteuerten Hi-Fi-Anlagen verstummen digital die Weihnachtslieder. Verloren sitzen die Kinder da, mit ihren Dart-Vader-Robotern, den elektronisch gesteuerten Mattel-Puppen und ihren Computer-Spielen. In den Küchen klagen Hausfrauen über den Verlust ihrer Mikrowellen-Herde, in denen ein in Stanniol verpacktes Weihnachtsmenü, auf den letzten Bräunungsgang wartet… Nur eine Familie merkt nichts von alledem. Sie sitzt um einen Tannenbaum, an dem die Kerzen knistern und flackern. Aus der Ofenröhre zieht der Duft von Bratäpfeln durchs Zimmer und vermischt sich mit dem Geruch abgebrannter Wunderkerzen. "Sechs..", werden die Kinder rufen und: "..Vati fliegt raus"; und derweil sie sich weiter mit dem Mensch-ärgere-dich-nicht beschäftigen, hört man Großmutter, den bunten Teller auf dem Schoß, Nüsse aufbrechen. Und als sie dann gemeinsam "Stille Nacht, heilige Nacht" singen, leise und auch ein bißchen falsch, bemerken sie den Mann nicht, der mit seinem weißen Bart und dem roten Mantel draußen steht und durch die Eisblumen am Fenster hineinsieht. Und sie hören auch nicht wie er im weggehen zufrieden durch seinen weißen Bart streicht und ihnen leise zuruft: "Fröhliche Weihnachten!" |